Nürnberg Beim 12. Forum der Evangelischen Hochschule Nürnberg „Forschung-
Entwicklung –Transfer“ stellte Prof. Dr. Karl Titze seine Untersuchung zum Wohlbefinden der
Kinder und Jugendlichen in den therapeutischen Wohngruppen des Raumerhauses in
Rummelsberg vor. Die Arbeit entstand mit der Unterstützung des Wichern-Instituts nach
einer Idee der Rummelsberger Jugendhilfe.
Im Online-Forum erläuterte Forschungsleiter Titze die Erkenntnisse der Untersuchung. Die
Kinder und Jugendlichen im Rummelsberger Raumerhaus benoten ihren Aufenthalt mit
einem Wert von 2,8. Die Skala reichte von null (gar nicht zufrieden) bis vier (sehr zufrieden).
2,8 entspricht also im Mittel etwa „ziemlich“ zufrieden. Der Vorstandsvorsitzende der
Rummelsberger Diakonie, Rektor Reiner Schübel, bewertet das Ergebnis der Studie so: „Die
meisten Kinder und Jugendlichen kommen nicht aus freien Stücken zu uns. Umso
erfreulicher ist, dass sie ihr Leben miteinander und die Betreuung durch die Rummelsberger
Fachleute positiv beurteilen.“
Das Raumerhaus mit seinen therapeutischen Wohngruppen ist eine Jugendhilfeeinrichtung
der Rummelsberger Diakonie. Dort leben 35 junge Menschen im Alter von sechs bis
sechzehn Jahren in drei Wohngruppen im Gebäude und zwei Außenwohngruppen. Der
Altersdurchschnitt liegt bei 13,6 Jahren. Die Betreuung durch das Raumerhaus ist eng mit
der trägereigenen Schule zur Erziehungshilfe mit dem Schwerpunkt soziale und emotionale
Förderung verknüpft. Neben den Pädagog*innen im unmittelbaren Wohnbereich sind weitere
heilpädagogische, therapeutische und psychologische Fachkräfte in die Begleitung der
jungen Menschen einbezogen.
Zu Beginn der Untersuchung führte das Forschungsteam Interviews mit den Jugendlichen
und den betreuenden Pädagogen durch. Aus diesen Gesprächen wurde ein
wissenschaftlicher Fragebogen entwickelt, den die jungen Menschen schließlich
beantworteten. Die Fragen erstreckten sich unter anderem über Privatsphäre,
Vertrauenspersonen, Mediennutzung, Essenssituationen, Gruppenregeln, Zusammenleben
in der Gruppe, Familienbesuche, Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten,
therapeutische und Freizeit-Angebote.
Genauer unter die Lupe genommen wurden auch die sozialen Beziehungen der Bewohner.
Zu den bemerkenswerten Trends gehörte hier, dass Pädagogen in den Wohngruppen
gleichviele soziale Ressourcen auf sich vereinen, wie die Eltern von Vergleichskindern, die
Zuhause leben. Die Vermutung liegt nahe, das Zuhause und Heim nicht in Konkurrenz,
sondern als Ergänzung wahrgenommen werden. Das Heim stellt den Jugendlichen viel von
dem zur Verfügung, was zum persönlichen Wohlbefinden gebraucht wird.
Die Bewertung der Mitbewohner zeigt ein anderes Bild. Die vertrauten Freunde im familiären
Umfeld schneiden deutlich besser ab. Nach erster Interpretation erscheint das
nachvollziehbar, denn die Freunde zuhause finden die Jungen und Mädchen freiwillig, sie
entscheiden mit wem sie Zeit verbringen. In der therapeutischen Wohngruppe sind sie in
einer Gemeinschaft, von der sie sich nicht abwenden können. Begründet liegt das im
pädagogisch - therapeutischen Auftrag der Lebensform Wohngruppe. Die jungen Menschen
sollen soziale Fähigkeiten in einer Gruppe erlernen und sich mit sich selbst
auseinandersetzen.
Die Beziehungen außerhalb der Wohngruppe sind für die Jugendlichen wichtig. Dazu gehört
beispielsweise die Mitgliedschaft in Sportvereinen und der Freiwilligen Feuerwehr. Sie
ermöglichen sowohl individuelle Entwicklungen und öffnen einen weiteren Raum, in dem
soziales Lernen gefördert wird.
Die Untersuchung hat auch Aspekte aufgezeigt, die verbessert werden können. Kritik übten
die Jugendlichen an Gruppenregeln und Gruppengesprächen. Für die Mitarbeitenden des
Raumerhauses ist dies der Auftrag gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen Regeln zu
überarbeiten.
Regionalleiter Thomas Bärthlein und die Mitarbeitenden im Raumerhaus sind dankbar für die
Untersuchung und Reflexion ihrer Arbeit. Die enge Zusammenarbeit zwischen Hochschule,
dem Rummelsberger Wichern-Institut und der Praxis bringt für alle Beteiligten wichtige
Erkenntnisse, die ebenso in den Alltag einfließen wie sie wissenschaftliches Arbeiten
weiterbringen.
Weitergehende Information:
Wichern-Institut für diakonische Praxisforschung und Entwicklung
Das gemeinsame Institut der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) und der
Rummelsberger Diakonie wurde im Jahr 2015 gegründet. Es hat den Status eines An-
Instituts der EVHN. Das Institut hat die Aufgabe, diakonische Praxisforschung in den für die
Rummelsberger Diakonie relevanten Handlungsfeldern voranzutreiben. Es soll die
Untersuchung aktueller Fragestellungen und die Entwicklung zukunftsweisender Konzepte
befördern.
Leiter des Instituts ist Prof. Dr. Joachim König. Als Vizepräsident der EVHN zeichnet er
innerhalb der Hochschulleitung für Forschung und Entwicklung verantwortlich. Er ist zudem
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation.Sitz des Institutes ist das ehemalige
Universitätsgebäude in Altdorf, heute Wichernhaus. Die Geschäftsführung liegt bei Olaf
Forkel.