Wichern-Dialog am 27. April beleuchtete aktuelle Themen der Sozialen Arbeit
Mehr lesenNürnberg – Aktuelle Forschungsergebnisse aus der Sozialen Arbeit standen im Mittelpunkt des vierten Wichern-Dialogs am Mittwoch, 27. April, der als Hybrid-Veranstaltung via Zoom sowie vor Ort an der evangelischen Hochschule in Nürnberg stattfand. Veranstalter war wie schon in den vergangenen Jahren das Wichern-Institut für diakonische Praxisforschung und Konzeptentwicklung, eine Kooperation der Evangelischen Hochschule Nürnberg und der Rummelsberger Diakonie e.V.
Als „Spitzen“ der Kooperation begrüßten Hochschul-Präsidentin Frau Prof. Dr. Barbara Städtler-Mach gemeinsam mit Finanzvorstand Dr. Tobias Gaydoul der Rummelsberger Diakonie alle Teilnehmenden. Die Themen „selbstverantwortliches Lernen“ und die Biografische Arbeit mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen seien gerade in der aktuellen Zeit sehr bedeutend.
Diakonin Katharina Keinki aus dem Handlungsfeld „Bildung und Entwicklung“ der Rummelsberger Diakonie stellte zunächst die praktischen Aspekte des Forschungsprojektes zum selbstverantwortlichen Lernen an den Rummelsberger beruflichen Schulen vor. Dabei handelt es sich um den kontinuierlichen Prozess, dass Lernende ihr eigenes Potenzial entfalten und den eigenen Lernprozess nicht nur selbst gestalten und steuern, sondern auch Verantwortung dafür übernehmen. So sollen die Schüler*innen besser und zielgerichteter auf das spätere Arbeitsleben vorbereitet werden. Der wichtigste Aspekt war dabei unter anderem die Veränderung der Rolle der Lehrkräfte. Innerhalb des Projekts wurden die Lehrer*innen zu einer Entwicklungsbegleitung sowie zur „Motivatorin, Begleiterin und Inspiratorin“, berichtet die Lehrende Corinna Fahnroth von der Rummelsberger Fachakademie für Sozialpädagogik in einem Video.
Im Anschluss an die praktischen Erfahrungsberichte stellte Prof. Dr. Markus Schaer die wissenschaftlichen Erhebungen des Wichern-Instituts über das Konzept vor. Diese Zahlen werden von 2018 bis 2024 durch jährliche Befragungen von den Lernenden durch das Wichern-Institut erhoben. Dabei beantworten die Schüler*innen beispielsweise Fragen zu ihrer Lernmotivation. Durch insgesamt 218 Datensätze konnten positive Veränderungen festgestellt werden. So hatte das selbstverantwortliche Lernen einen positiven Effekt darauf, inwiefern Schüler*innen einen Sinn in den Unterrichtsinhalten erkennen. Ferner steigerte diese Lernmethode die Motivation der Schüler*innen, etwas Neues zu erlernen sowie das Empfinden der Unterrichtsqualität. Fremdgesteuertes Lernen hatte dagegen einen negativen Einfluss auf die individuellen Unterrichtsmerkmale der Lernenden. Im Anschluss an die Präsentation beantworteten Diakonin Keinki und Prof. Dr. Schaer noch Fragen der Teilnehmenden.
Der zweite Teil des Wicherndialogs am späten Vormittag gab methodische Anregungen für die Praxis, zur biografischen Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. Im Vortrag wurden die Ergebnisse der qualitativen Längsschnittstudie zur Lebenssituation von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten vorgestellt und vor allem methodisch im Hinblick auf die Unterstützung der biografischen Arbeit der Jugendlichen reflektiert. Maria Kakoschke, Referentin der Forschungsergebnisse, stellte bei ihren Ausführungen die Tatsache in den Mittelpunkt, dass Biografiearbeit nicht nur Erinnerungsarbeit, beispielsweise wie im Bereich der Altenhilfe ist, sondern auch durch erzählerische Hinwendung zu und mit Jugendlichen, eine Reflexion von biografischen Prozessen möglich ist. Forschungsarbeit, so auch Biografiearbeit, stellt den Menschen ins Zentrum und macht ihn bedeutsam. So gelingt es beispielsweise Jugendlichen mit Fluchterfahrung, mehr Verständnis für die eigene Situation zu erlangen und wieder handlungsfähig zu werden. An dieser Stelle wird immer wieder die Bedeutsamkeit der Beziehung zwischen den Mitarbeitenden in der Jugendhilfe und den Jugendlichen betont.
Das vorgestellte Forschungsthema ist durch den Krieg in der Ukraine, auch im gesellschaftlichen Diskurs, wieder mehr in den Fokus der Gesellschaft gerückt. Diakon Werner Pfingstgraef, Dienststellenleitung der Rummelsberger Jugendhilfe in Fürth, betont, dass die gegenwärtige Situation nicht durchaus mit Sorge begleitet ist, da der Status der Menschen, die aus der Ukraine flüchten müssen, einen anderen ist, wie bei der Flüchtlingskrise im Jahr 2011. Ukrainische Flüchtlinge sind von der Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels befreit. Dennoch betont Diakon Werner Pfingstgraef im gemeinsamen Austausch, auch die Sorge um eine Zweiklassengesellschaft von Flüchtlingen. Er zitiert einen jungen syrischen Mann, der ihn mit seinen Worten persönlich sehr bewegt hat: „Bomben die auf uns geworfen wurden waren auch russische Bomben. Warum brauche ich ein Asylverfahren? Warum brauche ich eine Arbeitserlaubnis? Warum?“
Olaf Forkel, Geschäftsführer des Wicherninstituts, greift diesen Punkt in seinen abschließenden Worten nochmals auf und appelliert zum achtsamen Umgang miteinander: „Seid achtsam im Umgang mit Menschen, die von weit herkommen und viel verloren haben.“
4. Wichern-Dialog am 27. April thematisiert Forschungsprojekte aus der Bildung und Flüchtlingshilfe
Mehr lesenNürnberg – Aktuelle Forschungsergebnisse aus den Bereichen Bildung und Flüchtlingshilfe stehen im Mittelpunkt des vierten Wichern-Dialogs am Mittwoch, 27. April, der als Veranstaltung via Zoom stattfindet. Je nach pandemischer Lage findet es auch an der Hochschule vor Ort statt. Veranstalter ist das Wichern-Institut für diakonische Praxisforschung und Konzeptentwicklung, eine Kooperation der Evangelischen Hochschule Nürnberg und der Rummelsberger Diakonie e.V.
Unter dem Motto „Forschung trifft Praxis“ sind Fachkräfte, Mitarbeitende sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, von Kostenträgern und Jugendämtern ebenso eingeladen wie Auszubildende und Studierende aus allen Bereichen der Sozialen Arbeit. Beginn ist um 9.30 Uhr und das Ende der Veranstaltung ist für 13 Uhr geplant. Die Teilnahme ist kostenlos und es ist keine Anmeldung notwendig. Auch die Teilnahme nur während eines Beitrags ist jederzeit möglich.
Drei Forschungsgruppen präsentieren ihre Ergebnisse erstmals der Öffentlichkeit. Vorgestellt wird unter anderem eine Längsschnittstudie: Die Resultate einer qualitativen Studie zur Lebenssituation von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten werden dargestellt und vor allem methodisch im Hinblick auf die Unterstützung der biografischen Arbeit der Jugendlichen reflektiert.
Damit stehen die eingesetzten Untersuchungsinstrumente der „biografischen Entwicklungskurve“ und der „Netzwerkkarte“ im Mittelpunkt des Vortrags. Die Instrumente werden im Hinblick auf ihre Praxistauglichkeit für Prozesse der biografischen Arbeit in den Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Geflüchtete diskutiert. Schließlich werden damit in Verbindung stehende Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt. Nach den Vorträgen wird ausreichend Zeit sein, damit die Teilnehmenden sich über ihre praktischen Erfahrungen austauschen können.
Termin: Mittwoch, 27. April 2022, 9.30 bis 13 Uhr
Adresse: Evangelische Hochschule, Bärenschanzstr. 4, Nürnberg, Vorlesungssaal (Eingang Roonstr. 27) und Online via Zoom 7werke.de/wicherndialog (Meeting-ID: 987 8174 3043 - Kenncode: Wichern)
Evangelische Hochschule Nürnberg stellt Ergebnisse vor
Mehr lesenNürnberg Beim 12. Forum der Evangelischen Hochschule Nürnberg „Forschung-
Entwicklung –Transfer“ stellte Prof. Dr. Karl Titze seine Untersuchung zum Wohlbefinden der
Kinder und Jugendlichen in den therapeutischen Wohngruppen des Raumerhauses in
Rummelsberg vor. Die Arbeit entstand mit der Unterstützung des Wichern-Instituts nach
einer Idee der Rummelsberger Jugendhilfe.
Im Online-Forum erläuterte Forschungsleiter Titze die Erkenntnisse der Untersuchung. Die
Kinder und Jugendlichen im Rummelsberger Raumerhaus benoten ihren Aufenthalt mit
einem Wert von 2,8. Die Skala reichte von null (gar nicht zufrieden) bis vier (sehr zufrieden).
2,8 entspricht also im Mittel etwa „ziemlich“ zufrieden. Der Vorstandsvorsitzende der
Rummelsberger Diakonie, Rektor Reiner Schübel, bewertet das Ergebnis der Studie so: „Die
meisten Kinder und Jugendlichen kommen nicht aus freien Stücken zu uns. Umso
erfreulicher ist, dass sie ihr Leben miteinander und die Betreuung durch die Rummelsberger
Fachleute positiv beurteilen.“
Das Raumerhaus mit seinen therapeutischen Wohngruppen ist eine Jugendhilfeeinrichtung
der Rummelsberger Diakonie. Dort leben 35 junge Menschen im Alter von sechs bis
sechzehn Jahren in drei Wohngruppen im Gebäude und zwei Außenwohngruppen. Der
Altersdurchschnitt liegt bei 13,6 Jahren. Die Betreuung durch das Raumerhaus ist eng mit
der trägereigenen Schule zur Erziehungshilfe mit dem Schwerpunkt soziale und emotionale
Förderung verknüpft. Neben den Pädagog*innen im unmittelbaren Wohnbereich sind weitere
heilpädagogische, therapeutische und psychologische Fachkräfte in die Begleitung der
jungen Menschen einbezogen.
Zu Beginn der Untersuchung führte das Forschungsteam Interviews mit den Jugendlichen
und den betreuenden Pädagogen durch. Aus diesen Gesprächen wurde ein
wissenschaftlicher Fragebogen entwickelt, den die jungen Menschen schließlich
beantworteten. Die Fragen erstreckten sich unter anderem über Privatsphäre,
Vertrauenspersonen, Mediennutzung, Essenssituationen, Gruppenregeln, Zusammenleben
in der Gruppe, Familienbesuche, Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten,
therapeutische und Freizeit-Angebote.
Genauer unter die Lupe genommen wurden auch die sozialen Beziehungen der Bewohner.
Zu den bemerkenswerten Trends gehörte hier, dass Pädagogen in den Wohngruppen
gleichviele soziale Ressourcen auf sich vereinen, wie die Eltern von Vergleichskindern, die
Zuhause leben. Die Vermutung liegt nahe, das Zuhause und Heim nicht in Konkurrenz,
sondern als Ergänzung wahrgenommen werden. Das Heim stellt den Jugendlichen viel von
dem zur Verfügung, was zum persönlichen Wohlbefinden gebraucht wird.
Die Bewertung der Mitbewohner zeigt ein anderes Bild. Die vertrauten Freunde im familiären
Umfeld schneiden deutlich besser ab. Nach erster Interpretation erscheint das
nachvollziehbar, denn die Freunde zuhause finden die Jungen und Mädchen freiwillig, sie
entscheiden mit wem sie Zeit verbringen. In der therapeutischen Wohngruppe sind sie in
einer Gemeinschaft, von der sie sich nicht abwenden können. Begründet liegt das im
pädagogisch - therapeutischen Auftrag der Lebensform Wohngruppe. Die jungen Menschen
sollen soziale Fähigkeiten in einer Gruppe erlernen und sich mit sich selbst
auseinandersetzen.
Die Beziehungen außerhalb der Wohngruppe sind für die Jugendlichen wichtig. Dazu gehört
beispielsweise die Mitgliedschaft in Sportvereinen und der Freiwilligen Feuerwehr. Sie
ermöglichen sowohl individuelle Entwicklungen und öffnen einen weiteren Raum, in dem
soziales Lernen gefördert wird.
Die Untersuchung hat auch Aspekte aufgezeigt, die verbessert werden können. Kritik übten
die Jugendlichen an Gruppenregeln und Gruppengesprächen. Für die Mitarbeitenden des
Raumerhauses ist dies der Auftrag gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen Regeln zu
überarbeiten.
Regionalleiter Thomas Bärthlein und die Mitarbeitenden im Raumerhaus sind dankbar für die
Untersuchung und Reflexion ihrer Arbeit. Die enge Zusammenarbeit zwischen Hochschule,
dem Rummelsberger Wichern-Institut und der Praxis bringt für alle Beteiligten wichtige
Erkenntnisse, die ebenso in den Alltag einfließen wie sie wissenschaftliches Arbeiten
weiterbringen.
Weitergehende Information:
Wichern-Institut für diakonische Praxisforschung und Entwicklung
Das gemeinsame Institut der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) und der
Rummelsberger Diakonie wurde im Jahr 2015 gegründet. Es hat den Status eines An-
Instituts der EVHN. Das Institut hat die Aufgabe, diakonische Praxisforschung in den für die
Rummelsberger Diakonie relevanten Handlungsfeldern voranzutreiben. Es soll die
Untersuchung aktueller Fragestellungen und die Entwicklung zukunftsweisender Konzepte
befördern.
Leiter des Instituts ist Prof. Dr. Joachim König. Als Vizepräsident der EVHN zeichnet er
innerhalb der Hochschulleitung für Forschung und Entwicklung verantwortlich. Er ist zudem
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation.Sitz des Institutes ist das ehemalige
Universitätsgebäude in Altdorf, heute Wichernhaus. Die Geschäftsführung liegt bei Olaf
Forkel.
2. Wichern-Dialog bringt Wissenschaftler und Praktiker in Altdorf zusammen
Mehr lesenAltdorf – Vor fast genau vier Jahren haben die Rummelsberger Diakonie und die Evangelische Hochschule Nürnberg am ehemaligen Standort der Alten Universität in Altdorf das Wichern-Institut gegründet. An diesen „historischen Tag“ erinnerte Prof. Dr. Barbara Städtler-Mach, Präsidentin der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN), am Donnerstag bei der Eröffnung des 2. Wichern-Dialogs für diakonische Praxisforschung und Konzeptentwicklung. Ziel des Wichern-Instituts ist die Förderung der Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis. Zahlreiche Fachkräfte und wissenschaftliche Mitarbeitende waren ins Wichernhaus gekommen, um mehr über die Ergebnisse dreier Forschungsprojekte aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe und Bildung zu erfahren.
Präsidentin Städler-Mach betonte, dass schon Johann Hinrich Wichern sich für eine lebensweltliche Theologie und die Reflexion der diakonischen Arbeit eingesetzt habe. Dr. Günter Breitenbach, Vorstandsvorsitzender der Rummelsberger Diakonie, lobte die gute Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule. „Die Forschungsprojekte sind eine große Chance“, so Breitenbach. Mit Olaf Forkel stellte er außerdem den neuen Geschäftsführer des Wichern-Instituts vor, der den Wichern-Dialog gemeinsam mit Prof. Dr. Joachim König von der EVHN moderierte. König sagte, durch Praxisforschung und Evaluation könne man die alltägliche Praxis auf den Prüfstand stellen und etwas besser machen. „Wir können klären: Warum wirkt ein Konzept und ein anderes nicht?“ So lasse sich die Qualität der Praxis erhöhen und das fachliche Handeln auf Basis von belastbaren Ergebnissen begründen.
Im ersten Forschungsprojekt hatten sich die Studierenden Yvonne Hampel, Lisa Herfurth, Lena Hießleitner und Martina Lenkowski unter fachlicher Begleitung von Prof. Dr. Helene Ignatzi mit der Frage befasst, wie Menschen mit Demenz in stationären Einrichtungen der Altenpflege am besten untergebracht werden. Sie untersuchten, welche Vor- und Nachteile es bietet, wenn Menschen mit dementieller Erkrankung in einem eigenen Wohnbereich oder gemeinsam mit nicht erkrankten Seniorinnen und Senioren leben. Dazu führten die Studentinnen der Sozialen Gerontologie am Rummelsberger Stift St. Lorenz in Nürnberg sowohl eine Beobachtung von an Demenz erkrankten Bewohnerinnen als auch eine Befragung von Mitarbeitenden durch.
Martina Lenkowski berichtete, die Gruppe sei insgesamt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Unterbringung der erkrankten Bewohner in einem eigenen Wohnbereich mehr Vorteile ergeben habe. Hier hätten die Bewohnerinnen mehr positive Emotionen wie Freude oder Zufriedenheit gezeigt. Außerdem gebe es weniger Konflikte, etwa beim Essen. „Das deckt sich mit den Erfahrungen der Mitarbeitenden“, sagte Lenkowski. Allerdings habe die Untersuchung auch gezeigt, dass Mitarbeitende des Demenz-Wohnbereichs ihre psychische Belastung höher einstuften als Mitarbeitende der anderen Wohnbereiche. Hier ergeben sich Ansatzpunkte für weitere Forschung. Die Ergebnisse zur Frage der Wohnform fließen bereits jetzt in die Konzeptionierung für das neue Seniorenzentrum Gottfried-Seiler in Feucht ein, berichtete Peter Kraus, Fachlicher Leiter der Rummelsberger Dienste für Menschen im Alter.
Das zweite Forschungsprojekt befasst sich mit Kindern und Jugendlichen, die andere Träger häufig nicht aufnehmen wollen. In zwei Wohngruppen in Hilpoltstein leben einige Jugendliche, die neben kognitiven und körperlichen Einschränkungen auch fremd- und selbstverletzendes Verhalten zeigen. Claudia Singleton, Laura Grimm (beide Fachkräfte der Rummelsberger Diakonie) und Karl-Hermann Rechberg von der EVHN entwickeln derzeit zwei Instrumente, die eine bessere Förderung dieser jungen Menschen ermöglichen sollen.
„Die Fachkräfte müssen hier sehr individuell fördern“, betonte Rechberg. Unterstützen soll sie dabei künftig ein „Fernziel-Klärungsbogen“. Dabei geht es darum, mit den Jugendlichen langfristig daran zu arbeiten, dass sie nach Ende der Schulpflicht in eine Wohnform wechseln, die ihren Bedürfnissen entspricht. Das Spektrum reicht von der stationären Einrichtung bis zur eigenen Wohnung. Das Motto lautet: „So viel Hilfe wie nötig, so viel Freiraum wie möglich“, so Rechberg.
Das zweite Instrument ist ein „Eskalations-Clearing“. Die Forschungsgruppe berichtete davon, dass aggressives Verhalten immer mehr zunehme. Um hier besser eingreifen zu können, sollen schwierige Situationen nach einem standardisierten Ablauf aufgearbeitet und neue Lösungen gefunden werden. Noch befinde sich das Instrument in der Testphase, im Mai soll es erstmals in den beiden Wohngruppen angewandt werden.
Auch für das dritte Forschungsprojekt liegen noch keine endgültigen Ergebnisse vor. Es handelt sich um ein Schulentwicklungsprojekt an den insgesamt neun beruflichen Schulen der Rummelsberger Diakonie. Beteiligt sind Diakonin Katharina Keinki, Diakon Christian Oerthel (beide Rummelsberger Diakonie) sowie Prof. Dr. Markus Schaer und Sebastian Ottmann (beide EVHN). Es geht um das sogenannte selbstverantwortliche Lernen. Ziel ist, dass Schülerinnen und Schüler ihren Lernprozess nicht nur selbst gestalten und steuern, sondern auch die Verantwortung dafür übernehmen. „Nur weil ein Schüler im Unterricht sitzt, lernt er ja nicht“, sagte Projektleiterin Keinki. Sie sollen selbst entscheiden, wann, wie und mit wem sie lernen. „Weg von der Pflichterfüllung hin zur Potentialentfaltung“, brachte Schaer das Konzept auf den Punkt.
Um zu messen, was sich bei den Schülerinnen und Schülern verändert, werden sie einmal im Schuljahr und noch ein weiteres Mal nach Ende ihrer Ausbildung schriftlich befragt. Eine erste Befragung vergangenen Herbst habe drei verschiedene Lerntypen ergeben: selbstverantwortliche Lerner, fremdgesteuerte Lerner und angstgesteuerte Lerner. Ziel des Projekts sei es, mehr der angst- und fremdgesteuerten Lernenden zum selbstverantwortlichen Lernen zu ermutigen. Ob das gelingt, werden die regelmäßigen Befragungen zeigen.
Rummelsberger Diakonie und Evangelische Hochschule Nürnberg laden am 11. April 2019 nach Altdorf ein
Mehr lesenAltdorf – Neue Forschungsergebnisse aus den Bereichen Bildung, Altenhilfe und Behindertenhilfe bietet der 2. Wichern-Dialog zur diakonischen Praxisforschung und Konzeptentwicklung am Donnerstag, 11. April 2019. Das Dialogforum des Wichern-Instituts, einer Kooperation der Rummelsberger Diakonie und der Evangelischen Hochschule Nürnberg, findet von 10 bis 15 Uhr im Saal des Wichernhauses Altdorf statt. Eingeladen sind Fachkräfte aus der Praxis ebenso wie wissenschaftliche Mitarbeitende und Vertreter aus Politik, von Kostenträgern und Jugendämtern. Neben der Vorstellung der Forschungsprojekte bleibt Zeit für Vernetzung und Austausch.
Drei Forschergruppen präsentieren ihre Erkenntnisse beim Wichern-Dialog erstmals der Öffentlichkeit. Das erste Projekt hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Vor- und Nachteile es jeweils hat, wenn Menschen mit dementieller Erkrankung in stationären Einrichtungen in separaten oder gemeinschaftlichen Wohnbereichen untergebracht sind. Das zweite Forschungsteam hat gemeinsam mit Fachkräften Instrumente entwickelt, die junge Menschen an der Schnittstelle zwischen Behinderten- und Jugendhilfe unterstützen sollen. Das dritte Forschungsprojekt thematisiert das Konzept des selbstverantwortlichen Lernens, das gerade an den beruflichen Schulen der Rummelsberger Diakonie eingeführt wird. Im Anschluss an die Vorstellung der drei Projekte ist Raum für Diskussion und vertiefenden Dialog.
Die Teilnahme am 2. Wichern-Dialog ist kostenlos. Es gibt einen Mittagsimbiss und Getränke. Anmeldungen sind möglich bis 10. April 2019 per E-Mail an dorfeo.martina(at)rummelsberger.net.
Erfahrungen aus Praxis und Wissenschaft eng verbinden
Mehr lesenNürnberg/ Altdorf/ Rummelsberg – Olaf Forkel (59), bisher Fachlicher Leiter der Rummelsberger Jugendhilfe, übernimmt ab dem 1. Januar 2019 mit halber Stelle die Leitung des Fachbereichs Forschung und Entwicklung der Rummelsberger Diakonie. Daneben bleibt er Regionalleiter der Rummelsberger Jugendhilfe in Nürnberg und Leiter der Aktion Schutzbengel der Rummelsberger Diakonie. Mit der neuen Aufgabe für Forkel unterstreicht der soziale Träger seine Absicht, die Tätigkeiten ihrer Handlungsfelder durch unabhängige Forschung noch intensiver begleiten zu lassen. Das Interesse wissenschaftlicher Fachgebiete ist vielfältig. Es reicht von der Heilpädagogik über Psychologie und Ökonomie bis hin zu theologischen Fragestellungen. Olaf Forkel freut sich auf die neue Aufgabe und sagt: „Erfahrungen aus der Praxis wissenschaftlich zu überprüfen und miteinander zu lernen, kann beiden Seiten nur nützen.“ Studierende erhielten fundierte Einblicke in Soziale Arbeit, Praktiker wichtige Impulse, ihre Professionalität weiterzuentwickeln.
Zum Fachbereich Forschung gehört die Geschäftsführung des Wichern-Instituts für soziale Praxisforschung. Das gemeinsame Institut der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) und der Rummelsberger Diakonie wurde im Jahr 2015 gegründet. Es hat den Status eines An-Instituts der EVHN. Das Institut hat die Aufgabe, diakonische Praxisforschung in den für die Rummelsberger Diakonie relevanten Handlungsfeldern voranzutreiben. Es soll die Untersuchung aktueller Fragestellungen und die Entwicklung zukunftsweisender Konzepte befördern.
Leiter des Instituts ist Prof. Dr. Joachim König. Als Vizepräsident der EVHN zeichnet er innerhalb der Hochschulleitung in besonderer Weise für Forschung und als Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation verantwortlich. Sitz des Institutes ist das ehemalige Universitätsgebäude in Altdorf, heute Wichernhaus.
Evangelische Hochschule und Rummelsberger Diakonie arbeiten eng zusammen
Mehr lesenRummelsberg Der 1. Wichern-Dialog zur diakonischen Praxisforschung und Konzeptentwicklung steht unter dem Titel „Vom Konzept zur Praxis.“ Das Dialogforum findet am 25. Oktober 2017 in der Zeit von 10 bis 15 Uhr im Wichernhaus Altdorf statt. Veranstalter ist das 2015 gegründete Wichern-Institut unter der Geschäftsführung von Dr. Bernhard Petry. Im Institut kooperieren die Rummelsberger Diakonie und die Evangelische Hochschule Nürnberg. Sie suchen Antworten zu konzeptionellen Fragen im Alltag, dem Beitrag der Forschung und der Umsetzung der Ergebnisse in der Praxis. „Wir stellen die Ergebnisse erstmals der Öffentlichkeit vor,“ sagt Petry. Darüber hinaus wolle man mit den teilnehmenden Fachleuten aus der Hilfe für alte Menschen, junge Menschen und für Menschen mit Behinderung ins Gespräch kommen. Vorgestellt werden Fragestellungen zu diakonischen Angeboten, zu Herausforderungen in der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und zum Ausbau der Veränderungen in Bezug auf Inklusion und Behinderung.
Interessierte können sich noch bis zum 30. September 2017 unter diakonische.akademie(at)rummelsberger.net anmelden. Die Teilnahme ist kostenlos.
Das Wichern-Institut von Evangelischer Hochschule Nürnberg und Rummelsberger Diakonie lud zum ersten Wichern-Dialog nach Altdorf in die Altdorfina.
Altdorf bei Nürnberg. Die Präsidentin der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) Professorin Barbara Städler-Mach betonte auf dem ersten Wichern-Dialog: „Gerade einmal gut zwei Jahre hat es seit der Gründung des Wichern-Instituts gebraucht, um mit gemeinsamen fundierten Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit treten zu können.“ Es sei richtig, als Evangelische Hochschule angewandte Wissenschaft in und für praktische diakonische Angebote zu betreiben. Ganz in diesem Sinne verlief der erste Wichern Dialog, der von Dr. Bernhard Petry als Geschäftsführer, Prof. Joachim König und Forschungskoordinator Diakon Dietmar Maschke vorbereitet wurde. Universitäre Forschung und Lehre im Nürnberger Land in Verbindung zwischen der EVHN einerseits und der Rummelsberger Diakonie andererseits brachten neue Erkenntnisse für die Handlungsfelder Jugend, Menschen mit Behinderung und Seniorenarbeit.
Als erste stellten Professorin Helene Ignatzi und zwei Studentinnen ihre Untersuchungsergebnisse vor. Aufgabe war herauszufinden, ob und wie die Betreuung von Menschen mit einer dementiellen Erkrankungen und Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und einer Demenz gemeinsam angeboten werden kann. Dazu wurden Befragungen in Einrichtungen in Köln und Essen sowie ein Angebot in einer Rummelsberger Einrichtung praktisch durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass für die beiden Gruppen einzelne Beschäftigungs- und Freizeitangebote gut angenommen wurden aber beispielsweise die Unterbringung in einer gemeinsamen Wohnform bei den heutigen Rahmenbedingungen schwer vorstellbar wäre. Wichtig sei, so Volker Deeg, Diakon und Fachlicher Leiter bei den Rummelsberger Diensten für Menschen mit Behinderung, die Selbstbestimmung aller Menschen zu achten, die diakonisch-soziale Angebote in Anspruch nehmen. Dies betonte auch der wissenschaftliche Leiter des Instituts, Professor Joachim König.
Ein weiteres Untersuchungsgebiet der EVHN war die Begleitung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge durch die Rummelsberger Jugendhilfe. Prof. Gerhard Wirner und seine Studierenden konnten hierbei auf die langjährige Erfahrung der Rummelsberger bei der Begleitung junger Flüchtlinge zurückgreifen. So konnten eine ganze Reihe von Menschen befragt werden, bei denen die Flucht schon einige Jahre zurücklag. Deutlich wurde bei der Untersuchung, dass das durchgeführte 12-wöchige Clearingverfahren gute Perspektiven für Geflüchtete schafft. Die enge Zusammenarbeit von hauptamtlichen Pädagogen und ehrenamtliche Helfern mit ganz unterschiedlichen beruflichen Hintergründen hilft einerseits die Lage eines Flüchtlings gut zu klären und andererseits Traumata aus der Fluchtsituation beginnend zu bearbeiten. Zunächst ginge es aber in der Arbeit darum, für die Geflüchteten einen sicheren Hafen zu bieten, so Doktorand Maximilian Strehl in seinen Ausführungen. Olaf Forkel, als Fachlicher Leiter der Jugendhilfe in Rummelsberg für die Flüchtlingsarbeit zuständig, sieht die Bemühungen seiner Mitarbeitenden durch die Forschung bestätigt. Ähnlich sehen dies wohl auch die Jugendamtsleiter aus der Region Nürnberg. Sie seien bereit, so Forkel, im Dezember 2017 mit den Rummelsberger darüber zu verhandeln, wie die gemeinsame erfolgreiche Arbeit weiter geführt werden kann.
Der dritte Forschungsgegenstand der Hochschule betraf Selbstbestimmung und Inklusion von Menschen mit Behinderung. Doktorand Karl-Hermann Rechberg untersuchte das von der Rummelsberger Behindertenhilfe im Jahr 2012 eingeführte Case-Management. Volker Deeg führte dazu vorher aus, dass die Rummelsberger Dienste diese neue Form der Betreuung ohne eine eigene Refinanzierung eingeführt haben. Ungefähr je 80 Menschen mit Behinderung werden seit dieser Zeit von einem eigens ausgebildeten Case-Manager begleitet. Seine Aufgabe ist in einfachen Worten, einen Menschen mit Behinderung in die Lage zu versetzen, selbstbestimmt für das eigene Leben zu entscheiden. Rechberg untersuchte, ob dieser neue Dienst zu einer Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung führte. Aus Sicht der Betroffenen gab es eine große Zustimmung für dieses neue Angebot. Individuelle Wünsche zum Beispiel in der Wohnsituation in einer stationären Einrichtung konnten eher ausgedrückt und beachtet werden. Die Verantwortlichen der Diakonie hatten die Manager auch als Störer von lange eingeübten Verfahren eingesetzt. Und war es früher eher so, dass ein Mensch sich dem anpassen musste, was die Umgebung wollte, ist es heute verstärkt möglich eigene Vorstellungen umzusetzen. Damit werden Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt. Die Case-Manager sind Vertraute von Menschen mit Behinderungen, die außerhalb der Systeme stehen, die Assistenzleistungen und Arbeitsangebote anbieten.
Auch in diesem letzten Beispiel wurde deutlich, wie eine Hochschule praktische Angebote wissenschaftlich begleiten und bei der weiteren Umsetzung helfen kann. Darüber hinaus sind die Evangelische Hochschule und die Rummelsberger Diakonie mit dem ersten Wichern-Dialog auf einem guten Weg ihre Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.